So nachhaltig ist HelloFresh wirklich
„Einfach besser essen“, damit wirbt HelloFresh gleich zu Beginn auf der eigenen Internetseite. Darunter erscheint ein verlockendes Angebot, das sofort 45€ Rabatt verspricht. Außerdem ist HelloFresh auf Instagram sehr präsent, bucht andauernd Influencer für Werbung. Auch dort locken Rabattcodes zum Kauf, verspricht die Kochbox doch eine erhebliche Zeitersparnis beim Kochen und Einkaufen, die Vermeidung von Lebensmittelabfällen, sowie 100% Klimaneutralität. Doch was ist dran am großen grünen Versprechen? Ich habe HelloFresh getestet und zeitgleich recherchiert, wie nachhaltig das Unternehmen wirklich ist.
Aspekt Lebensmittelabfälle
Laut HelloFresh sparen Kund*innen der Box pro Portion mindestens 1/3 an Lebensmittelabfällen, da durch die vorportionierten Größen keine Reste übrig bleiben.
HelloFresh generiert 68 % weniger Lebensmittelabfälle als die größten zwölf Supermärkte weltweit – und zwar weniger als 3,6 g pro Gericht. Wir kaufen lediglich Zutaten auf Kundenbestellung ein, wodurch keine Lebensmittel verschwendet werden. Die Just- in-Time-Bestellung garantiert Frische, vor allem von Zutaten mit kurzer Haltbarkeit wie etwa Kräutern. Somit wird nur das bestellt, was auch wirklich verbraucht wird.
https://www.hellofresh.de/about/food-waste
Laut dem Ernährungsbericht für das Jahr 2021, der kürzlich vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) herausgegeben wurde, landen in Deutschland jährlich etwa 12 Millionen Tonnen an Lebensmitteln im Müll . Hierbei wird die Hälfte (52%) von privaten Haushalten verursacht (6,1 Mio. Tonnen). Der Groß- und Einzelhandel schlägt mit lediglich 0,5 Mio. Tonnen (4%) kaum zu Buche. Ein weit größerer Teil entfällt auf die Gastronomie bzw. Außer-Haus-Verpflegung, und zwar 1,7 Mio. Tonnen, was 14% der Gesamtmenge entspricht.
Die restlichen Abfälle entstehen bereits in der Primärproduktion (12% ≙ 1,4 Mio. Tonnen) und in der Verarbeitung und Produktion von Lebensmitteln (18% ≙ 2,2 Mio. Tonnen) .
Bricht man das Ganze herunter kommt man schnell zu folgendem Ergebnis: 44% Prozent der Lebensmittelabfälle entstehen in Bereichen, auf die HelloFresh überhaupt keinen Einfluss hat.
Was ist aber mit den 52% Abfällen in Privathaushalten? Nun, hier muss man HelloFresh zugutehalten, dass sie mit den vorportionierten Mengen sicherlich dazu beitragen, dass weniger Abfälle anfallen und auch die gelieferten Lebensmittel restlos verbraucht werden. Aber: nicht alle Lebensmittelabfälle aus privaten Haushalten fallen dadurch plötzlich weg. Es muss trotzdem eingekauft werden, da nicht alle Mahlzeiten von HelloFresh abgedeckt werden. Die vom Unternehmen angegebene Zahl einer Einsparung um ca. 33% scheint realistisch. Warum jedoch in einem Youtube-Video auf dem offiziellen HelloFresh-Kanal vom 15.01.2020 mit 95% weniger Lebensmittelabfällen pro Portion geworben wird, erschließt sich mir nicht.
Kurzfazit Lebensmittelverschwendung
Weniger Abfälle, Einfluss jedoch kleiner als suggeriert. Das besagte YouTube-Video aus dem Jahr 2020 erscheint immer noch weit oben in der Suche, wenn „HelloFresh Lebensmittelverschwendung“ eingetippt wird.
Aspekt Verpackungsmüll
Kommen wir nun zum Thema Verpackungsmüll, denn das ist bei HelloFresh eine ganze Menge. Durch die vielen einzeln verpackten Lebensmittel entsteht ein unfassbarer Berg an zusätzlichem Müll. Der Preis für die frische Lieferung sind Kühlpacks in rauen Mengen und Kühlbeutel, die aber immerhin im Altpapier entsorgt werden können. Trotzdem alles unnötige Verpackungen, die beim normalen Einkauf entfallen. Hierauf werde ich unter dem Aspekt „Recycling“ noch näher eingehen. Es ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass Großverpackungen – im Vergleich zu zahlreichen Einzelpackungen – wesentlich umweltfreundlicher sind. Das hat damit zu tun, dass mit steigendem Inhalt proportional weniger Verpackung benötigt wird. Nach diesem Konzept arbeiten auch Unverpacktläden oder Onlinehändler wie Koro. Sogar im eigenen Haushalt lässt sich das prima beobachten, beispielsweise bei Reis. Eine 1kg Packung verursacht weniger Verpackungsmüll als vier 250g Verpackungen.
Bei Hello Fresh sind wirklich alle Zutaten ausnahmslos extra verpackt, vom 20g Stück Butter, über das Mini-Kürbiskernöl, bis hin zu einer kleinen Portion Gemüsebrühe. Sogar Tomatenmark wird in extrakleinen Döschen geliefert. In Zeiten, in denen wir aufgrund der Klimakrise auf unseren ökologischen Fußabdruck achten sollten, nicht gerade erfreulich. So wird jeder Versuch Verpackungen im Alltag zu reduzieren zu Nichte gemacht. Da hilft es wenig, dass HelloFresh zum Thema Verpackungen auf der Website wie folgt schreibt:
Unsere Verpackungen setzen wir nur ein, wo nötig, um die Qualität der Zutaten zu sichern und Dir grammgenaue Portionen liefern zu können. So verhelfen wir Dir zu mindestens 1/3 weniger Lebensmittelabfall. Die Verpackungen kannst Du recyceln .
https://www.hellofresh.de/about/recycling
In Kurzfassung heißt das, dass sie quasi überall Verpackung einsetzen, aber immerhin kann man die Packungen recyclen. Dass die beste Verpackung immer noch keine! Verpackung ist und es sinnvoller ist, erst gar keine Verpackung zu produzieren, bevor sie recycelt werden muss, ist wohl noch nicht bei allen angekommen. Natürlich wird die Zukunft nicht verpackungsfrei aussehen, es braucht Alternativen und ein Kreislaufsystem. Aber: Jede Verpackung, die vermieden werden kann, ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Kurzfazit Verpackungsmüll
Greenwashing vom Feinsten, Recyclingfähigkeit ist kein Freibrief für Verpackungswut.
Aspekt Recycling
Wie schon oben erwähnt rechtfertigt HelloFresh die zahlreichen Verpackungen mit der hervorragenden Recyclingfähigkeit. Doch wie steht es tatsächlich um die deutsche Recyclingquote? Hierbei ist es noch wichtig zu erwähnen, dass in die sogenannte Verwertungsquote oft auch ein Anteil des verbrannten Mülls miteinberechnet wird, da die durch die Verbrennung gewonnene Energie weiterverwendet werden kann . Im Jahr 2018 wurden laut Umweltbundesamt knapp 70% der Verpackungsabfälle recycelt. Das klingt zunächst gut, wirft man aber einen genauen Blick auf die Zusammensetzung der Recyclingquote fällt auf, dass dort die verschiedenen Materialien auch jeweils eigenständige Quoten haben. Während Glas und Papier mit jeweils ca. 90% fast immer vollständig recycelt werden können, sind es bei Kunststoffverpackungen nur 47%. Somit wird immer noch mehr Plastikabfall verbrannt, als recycelt. Das liegt unter anderem an sogenannten Verbundverpackungen, also z.B. Tetrapacks. Diese bestehen aus drei miteinander verbundenen Schichten, Pappe, Kunststoff und Aluminium. Diese voneinander zu trennen ist aktuell nur schwer möglich und mit großem Aufwand verbunden.
Das Problem mit dem Müll-Export
Ein weiterer Grund für die niedrige Quote ist, dass es für die Industrie günstiger ist, neue Kunststoffverpackungen zu produzieren, als zu recyceln. Zuletzt wird leider auch immer noch ein großer Teil der Kunststoffverpackungen verschifft, also exportiert, zum Beispiel in Länder wie Malaysia oder Indien. Das trifft vor allem auf Kunststoffabfälle mit niedriger Qualität zu, die man so loswerden möchte. Was dort mit den Abfällen passiert, weiß niemand so genau. Und: auf dem Transportweg gelangt nicht selten Plastik ins Meer, aktuelle Schätzungen gehen sogar von einer Menge bis zu 3% des gesamten Plastikabfalls aus. In Europa ist Deutschland übrigens immer noch Spitzenreiter beim Exportieren von Plastikabfällen und das sogar mit Abstand. Mit knapp 740.331 Tonnen exportieren wir fast doppelt so viel wie das zweitplatzierte UK . Ähnlich schlecht sieht es beim Thema Kreislauf aus, aktuell werden lediglich 14% der eingesetzten Rohstoffe in der Industrie aus Abfällen gewonnen . Deshalb gilt: Verpackungen vermeiden und dort, wo sie sich nicht vermeiden lassen auf recycelte Verpackungen setzen (falls möglich). Ganz zuletzt kommt schließlich das Recyclen der nicht vermeidbaren Verpackungen auf dem Wertstoffhof oder im gelben Sack.
Was heißt das jetzt für HelloFresh? Nun ja, jede*r kann daraus eigene Schlüsse ziehen, jedoch wird man unterm Strich feststellen, dass diese Mengen an Verpackung nicht gut sind und mit Nachhaltigkeit nichts zu tun haben. Doch nicht alles ist schlecht, immerhin bestehen die Kühlbeutel mittlerweile aus recyceltem Papier, die Rezepttüten sind für den Biomüll zugelassen und die Eispacks nicht mehr mit Polymeren, sondern mit Wasser gefüllt. Doch das reicht noch lange nicht aus, schon gar nicht für eine Firma, die sich so grün verkauft wie HelloFresh.
Kurzfazit Recycling
Viel Verpackung, wenig Recycling. Ein deutschlandweites Problem, wobei HelloFresh mit der Recyclinglüge mitschwimmt.
Aspekt Klimaneutralität
HelloFresh rühmt sich seit einiger Zeit mit 100% Klimaneutralität.
Wir haben die traditionelle Lieferkette verändert und finden neue Lösungen, wie Menschen sich einfach und bewusst ernähren. Nachhaltigkeit ist für uns Teil dieser Mission – vom Feld bis auf Deine Gabel. Für unsere Kochboxen wählen wir Lebensmittel deswegen so regional und nachhaltig wie möglich aus. Zusätzlich haben wir die CO₂-Emissionen unseres Betriebs und Services für Energie, Lieferung, Website, App und Server, sowie für alle Verpackungen von unserem Partner Planetly berechnen lassen. Diese Emissionen kompensieren wir durch Klimaschutzprojekte. Die CO₂-Berechnung wurde dabei zusätzlich vom TÜV Rheinland geprüft und zertifiziert. Indem Du mit HelloFresh kochst, minimierst Du also auch Deinen ökologischen Fußabdruck
https://www.hellofresh.de/about/carbon-neutral
Bei diesem Statement gibt es einiges zu kritisieren, aber alles der Reihe nach. Unter dem Punkt bewusste Ernährung versteht sicher jede*r etwas anderes, da der Aspekt aber in einem Satz mit Nachhaltigkeit erwähnt wird, gehe ich nicht davon aus, dass lediglich eine gesunde Ernährung gemeint ist. HelloFresh bietet nach wie vor hauptsächlich Gerichte mit Fisch und Fleisch an, wobei die wenigsten Zutaten aus biologischer Herkunft stammen. Vom Fischproblem einmal abgesehen, stammte das Fleisch, Gemüse, Milchprodukte usw. in der Box zudem in den wenigsten Fällen direkt aus der Region. Wie auch, denn jeder lebt schließlich in anderen Teilen Deutschlands und bekommt trotzdem dieselben Zutaten. Regionalität wird von HelloFresh also vermutlich anders interpretiert als von der Allgemeinheit.
Lieferketten- und Herkunftsproblematik
Für Kund*innen von HelloFresh ist es nicht auf den ersten Blick ersichtlich, woher die Lebensmittel aus der Box stammen. Da HelloFresh verschiedenste Produkte, darunter unter anderem Konserven, Milchprodukte und Gewürze, selbst herstellen und verpacken lässt, können Kund*innen nicht transparent nachverfolgen, woher die Produkte stammen oder unter welchen Bedingungen sie produziert wurden. Einzelne Anhaltspunkte liefern Milchnummern und Tierwohlkennzeichnungen auf den Produkten. Jedoch lässt die Transparenz insgesamt stark zu wünschen übrig. Die Herkunft des Obst- und Gemüses bleibt meist gänzlich unbekannt und Bio-Qualität sucht man oft vergebens. Nicht selten klagen Kund*innen zudem über verdorbene Lebensmittel, gerade bei hohen Temperaturen und Problemen beim Versand. Dass in den Boxen hauptsächlich Fleisch aus den niedrigsten Haltungsstufen zu finden ist, spricht auch nicht gerade für Nachhaltigkeit.
Das Problem mit der CO2-Kompensation
Wie bereits erwähnt kompensiert HelloFresh entstandene CO2-Emissionen mittels Planetely. Hierfür werden die ausgestoßenen Emissionen in den Bereichen Transport, Lieferung und Produktion vom Anbieter berechnet und HelloFresh verpflichtet sich anschließend zur Unterstützung von Klimaschutzprojekten. Das ausgestoßene Co2 soll so durch Maßnahmen wie Aufforstung, Brunnenbau oder Zugang zu sauberem Wasser wieder neutralisiert werden. Ob diese Methode sinnvoll ist oder nicht, wird immer wieder kritisch beäugt. Gerade Baumpflanzungen sind nicht so sinnvoll, wie zunächst angenommen. Bis ein Baum genug Co2 im Rahmen der Photosynthese neutralisieren kann, vergehen im Schnitt 60 Jahre. Außerdem finden die meisten der Klimaschutzprojekte im Ausland statt, Kund*innen werden in der Regel nicht weiter über den Fortschritt der Projekte informiert. Es ist wesentlich sinnvoller zunächst den Ausstoß an CO2 maximal zu reduzieren, zum Beispiel durch die Nutzung erneuerbarer Energien oder die Reduktion des Angebots an tierischen Produkten. Erst dann kann eine CO2-Kompensation folgen und eventuell Sinn ergeben. Aktuell ist der Claim klimaneutral aber vor allem ein marketingtechnisches Instrument, um Kund*innen zu generieren oder zu halten, die dies von einem modernen Unternehmen erwarten.
Kontroverse um Planetely
HelloFreshs Partner Planetely war ein Berliner Startup, es wurde Ende 2021 überraschend an den amerikanischen Investor OneTrust verkauft. OneTrust bietet Kund*innen Softwarelösungen zur Berechnung des eigenen CO2-Ausstoßes an. Wie es mit Planetely weitergehen soll war lange unklar. Mittlerweile ist die Webseite verschwunden und eine sofortige Weiterleitung auf die Seite von OneTrust findet statt. Sämtliche Verlinkungen von HelloFresh laufen ins Leere, die Kundenseite von HelloFresh bei Planetly ist nicht mehr aufrufbar. Nach wie vor wirbt HelloFresh jedoch mit Klimaneutralität und gibt Planetly sowohl auf der Website, als auch auf Kartons als Partner für die CO2-Kompensation an! Die Firma existiert jedoch bereits über acht Monate nicht mehr.
Kurzfazit Klimaneutralität
Klimaneutral ja, beziehungsweise bis Ende 2021. Mittlerweile ist nicht mehr ersichtlich ob bzw. wie HelloFresh CO2-Emissionen kompensiert. Kund*innen werden somit bewusst getäuscht und belogen. Von einem Unternehmen wie HelloFresh ist zu erwarten, dass innerhalb von acht Monaten die Informationen auf der Website aktualisiert und Kund*innen informiert werden. Ein Effekt bleibt aus, es ist immer besser CO2 zu vermeiden, als es zu kompensieren.
Schlussfazit
Am Ende bleibt der Eindruck zurück, dass HelloFresh vieles ist, aber nicht nachhaltig vom Feld bis auf die Gabel. Die Zeitersparnis und verringerte Lebensmittelabfälle sind zunächst valide Gründe für die Bestellung der Box. Jedoch sollte sich jede*r bewusst sein, zu welchem Preis das geschieht. Für mich überwiegen die Nachteile und mir bleibt nur zu sagen: Greenwashing und Betrug von Kund*innen ist gar nicht fresh.
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